Mediation: ja, nein, weiss nicht…
Das Soldan Institut mit Sitz in Köln hat im Sommer 2015
in Deutschland 1.132 berufausübende Rechtsanwälte zu den Auswirkungen
des im Jahr 2012 In-Kraft-getretenen Mediationsgesetzes befragt. Das
Ergebnis der Befragung ist ernüchternd: Insgesamt 86% der befragten
Rechtsanwälte/innen können entweder keine Beurteilung abgeben oder sind
der Meinung, dass das Mediationsgesetz zu keiner Stärkung der Bedeutung
von Mediation in der Praxis beigetragen hat. Unterschiedliche Studien
aus der Vergangenheit (z.B von ROLAND Rechtsschutz-Versicherungs-AG, PwC
oder KPMG) haben dagegen aufgezeigt, dass die Mediation als
konsensuales Verfahren der außergerichtlichen Streitbeilegung bei
Unternehmen und Verbrauchern durchaus bekannt ist und als ein sinnvolles
Konfliktbeendigungsverfahren erkannt wird. Es stellt sich damit die
Frage, warum Mediation in Deutschland auch nach Inkrafttreten des
Mediationsgesetzes nur verhalten an Bedeutung gewinnt. In diesem
Zusammenhang sind noch zwei weitere Kennzahlen interessant: Von 334.499
erledigten Zivilverfahren vor deutschen Landgerichten im Jahr 2014
wurden 87.085 (26%) Verfahren durch Vergleich beendet. Das Soldan
Institut hat ermittelt, dass in größeren Kanzleien die
Wahrscheinlichkeit für einen Rechtsanwalt, mit einem Mediationsmandat
konfrontiert zu sein, deutlich größer ist als in Einzelkanzleien oder
Kleinsozietäten. Größere Kanzleien werden überwiegend
Unternehmensmandate ggf. mit internationalem Kontext betreuen.
Es lassen sich folgende Thesen formulieren:
- In
größeren Kanzleien wird es mehr Berufsträger geben, die Wissen über und
Erfahrung mit außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren vorhalten
als in Kleinsozietäten oder in Einzelkanzleien und diese dann auch ihren
Mandanten empfehlen;
- (Internationale)
Unternehmensmandanten sind eher vertraut mit außergerichtlichen
Streitbeilegungsverfahren und nutzen diese als zusätzliche Möglichkeiten
der außergerichtlichen Streitbeilegung.
Das
Mediationsgesetz ist bald 3 Jahre in Kraft, wesentliche Impulse zur
Förderung der außergerichtlichen Streitbeilegung in Deutschland sind
davon bislang leider nicht ausgegangen. Es bedarf weiter viel
Aufklärungsarbeit, um nach wie vor bestehende Vorbehalte gegen
außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren auszuräumen.
Rechtsanwälte/innen sollten mit Blick auf nachhaltige Mandantenbetreuung
dabei auch an § 1 Abs. 3 BORA denken:
„Als unabhängiger Berater und
Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten hat der Rechtsanwalt seine
Mandanten vor Rechtsverlusten zu schützen, rechtsgestaltend,
konfliktvermeidend und
streitschlichtend
zu begleiten, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und
Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung
und staatliche Machtüberschreitung zu sichern.“
Unternehmen
sollten den Mut haben, in geeigneten Fällen den Einsatz
aussergerichtlicher Streitbeilegungsverfahren kritisch zu prüfen und
aussergerichtliche Streitbeilegung als nachhaltige, Ressourcen-schonende
Alternative in Erwägung zu ziehen und Überlegungen hierzu ggf. auch von
den Beratern einfordern.
Vielleicht zeichnen zukünftige Studien dann ein anderes Bild.
Die
Ergebnisse der aktuellen Studie des Soldan Instituts finden Sie
besprochen von Prof. Kilian/Hoffmann und abgedruckt in ZKM Heft 6/2015,
S. 176ff..